Gedenktafel sindelfingenIn der Präambel des Bundesentschädigungsgesetzes steht, dass „der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder des Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des Deutschen Volkes und Staates war“.

Als ich mit 15 Jahren in Stuttgart am Mahnmal anlässlich der Kundgebung gegen den faschistischen Putsch in Chile Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der KZ-Kleidung kennen lernte, hat mich ihr Engagement für den Schwur von Buchenwald „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ sehr beeindruckt.

Ich wurde 1975 Mitglied und Kreisvorsitzender dieser Vereinigung, die sich zum Bund der Antifaschisten weiterentwickelt hat. Diese Funktion hatte ich bis 1990 inne.

Die Beschäftigung mit der Geschichte in Sindelfingen ergab, dass auch in Sindelfingen Menschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet haben, die auch ihre Freiheit und auch ihr Leben verloren haben. Sie waren in Sindelfingen unbekannt. Das fand ich ungerecht.

Es war der Sindelfinger Daimler-Arbeiter und Betriebsrat Karl Keinath, der sein Leben in KZ Flossenbürg verlor, sowie der Sindelfinger Stuckateur Wilhelm Brendle, der im KZ Mauthausen verhungert und erfroren ist. Beide galt es aus dem Vergessen zu holen.

Mit 16 Jahren begann ich mit der VVN-Gruppe in Sindelfingen Unterschriften für eine Strassenbennenung nach diesen beiden Widerstandskämpfern zu sammeln. Wir organisierten am Totensonntag Gedenkfeiern an den Gräbern mit Gästen aus der französischen Partnerstadt Corbeil-Essonnes und mit der Weil der Städter Songgruppe vom Bund Demokratischer Pfadfinder.

Als ich 36 Jahre alt war wurde am Sindelfinger Rathaus eine Gedenktafel für die Opfer des Naziregimes eingeweiht. Da merkte ich wie lange es dauert bis man etwas durchsetzen kann. Man braucht in der Politik einen langen Atem, wenn man etwas erreichen will.

Zwei Menschen in Sindelfingen, die die KZs bzw. Haft der Nazis überlebt haben, muss ich auch erwähnen: Wilhelm Krespach und Erwin Zimmermann.Sie waren für mich beide Ansporn im Kampf gegen alte und neue Nazis.

Bei meiner Tätigkeit in der VVN war nicht nur Erinnerungskultur angesagt, sondern selbstverständlich auch aktives Engagement gegen die alten und neuen Nazis. Im Januar 1981 musste ich mich mit 21 Jahren beim Amtsgericht Ketsch dem Vorwurf erwehren, ich hätte beim Protest gegen NPD-Parteitag Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet. Die VVN sah diesen Vorfall als einen Versuch zur Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands und gab eine Dokumentation heraus mit dem Titel: "Warum ein Antifaschist, der in Ketsch gegen die neonazistische NPD protestierte, bestraft werden soll."   Ich habe sehr viel Solidarität erfahren. Selbst im Gericht gingen Solidaritätsbekundungen als Telegramme ein. Ich wurde am Ende des Tages vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft freigesprochen. Hier die Zeitungsartikel zum Nachlesen.

 

 

2016 in schwbisch Hall

 Im Bild: mit meiner damaligen Abgeordnetenkollegin Martina Renner in Schwäbisch Hall bei einer Demo für die Opfer der NSU.